In den letzten Jahren habe ich in meinen Vorträgen oft ein Bild verwendet, das mir besonders ans Herz gewachsen ist. Frei wiedergegeben lautet die Botschaft: “Menschen sollten Gewächshäuser zur Verfügung gestellt werden, in welchen sie gedeihen können.” Dieses Bild ist schön und kraftvoll – doch im Kontext von Neurodiversität gewinnt es eine noch tiefere Bedeutung.

Neurodiversität begegnet mir derzeit überall: in Gesprächen, in der Forschung und insbesondere in den Fragen, die nach meinen Vorträgen gestellt werden. Egal ob ich über Leadership oder Innovation spreche, das Thema Diversität steht stets im Fokus. Es ist ein Thema, das mir schon lange am Herzen liegt, und ich möchte diese Gedanken nun intensiver teilen.

Was bedeutet Neurodiversität wirklich?

Neurodiversität beschreibt die natürliche neurologische Vielfalt des menschlichen Gehirns. Es ist die positive Sicht darauf, wie unterschiedlich wir alle denken und wahrnehmen. Leider wird in Deutschland oft gleich hinterhergeschoben, dass Neurodiversität mit “Schwächen” oder “Behinderungen” einhergehe. Doch genau dieser Blickwinkel verstellt uns die Chance, das enorme Potenzial neurodiverser Menschen zu erkennen.

Ich sehe Neurodiversität als Stärke – eine, die in einer Welt, die nach Innovation und neuen Perspektiven dürstet, unverzichtbar ist. Schließlich sprechen wir in Unternehmen seit Jahren darüber, “anders” zu denken. Wir nutzen Methoden wie Design Thinking oder LEGO® Serious Play® für kreative Problemlösungen, Perspektivwechsel und schätzen Vielfalt in Teams. Doch wenn es darum geht, neurodivergente Menschen in unsere Arbeitswelt zu integrieren, scheitern wir oft an unseren eigenen Barrieren.

Das ist paradox, denn gerade neurodivergente Menschen – sei es mit Autismus, ADHS oder anderen neurologischen Besonderheiten – bringen die Fähigkeit mit, komplexe Probleme auf einzigartige Weise zu lösen. Ich bin überzeugt: Neurodiverse Teams werden die Arbeitswelt von morgen prägen. Und wir müssen diese Zukunft als Chance, nicht als Herausforderung betrachten.

Dringender Talentbedarf – und ungenutztes Potenzial

Unsere Arbeitswelt sucht händeringend nach Talenten. Doch anstatt die Stärken neurodiverser Menschen zu fördern, bauen wir oft unbewusst Hürden auf. Wir schaffen Strukturen, die sie ausschließen, anstatt sie willkommen zu heißen. Und wenn neurodiverse Talente den Weg in unsere Teams finden, denken wir erst dann darüber nach, wie wir das Arbeitsumfeld anpassen können – obwohl das längst geschehen sein müsste.

Viele neurodivergente Menschen bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen Überforderung und Unterforderung. Um das Beste an Arbeitsmöglichkeite für sie herauszuarbeiten, braucht es ein Umfeld, das sowohl ihre Ruhebedürfnisse als auch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten berücksichtigt. Ob privat oder beruflich: Nur wer die Chance bekommt, in einem unterstützenden Gewächshaus zu wachsen, kann sein volles Potenzial entfalten.

Was wir alle tun können

Für Betroffene:

Neurodivergente Menschen sollten nicht das Gefühl haben, die Welt müsse sich ausschließlich um sie drehen. Doch es ist genauso wichtig, dass sie selbst klar kommunizieren, was sie brauchen – und wo sie bereit sind, Kompromisse einzugehen. Flexible Arbeitszeiten, angepasste Aufgaben oder stressfreie Umgebungen können dabei helfen, Fokus, Produktivität und Kreativität zu maximieren.

Für Unternehmen:

Unternehmen stehen in der Verantwortung, Barrieren abzubauen. Das beginnt mit Aufklärung: Wissen schafft Verständnis. Wenn Teams lernen, wie neurodivergente Kollegen anders arbeiten und denken, wird der Weg zu einem inklusiven Arbeitsumfeld geebnet. Konkrete Maßnahmen können beispielsweise Noise-Cancelling-Kopfhörer, Ruhebereiche, Fidget-Tools oder die Einführung komplett flexibler Arbeitszeiten sein.

Neurodiversität bedeutet nicht, Strukturen zu erzwingen. Es bedeutet, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – und das macht uns alle erfolgreicher.

Lasst uns Vielfalt leben

Neurodiversität ist eine Win-Win-Situation für alle: für Betroffene, für Teams und für Unternehmen. Sie fordert uns heraus, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und mutig neue Wege zu gehen. Dabei gewinnen wir nicht nur an Vielfalt, sondern auch an Innovationskraft und Menschlichkeit.

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P.S.: In eigener Sache: Ich arbeite derzeit an einem Buch über Neurodiversität und freue mich über deine Ideen, Erfahrungen oder Geschichten – sei es anonym oder persönlich. Gemeinsam können wir die Arbeitswelt zu einem Ort machen, an dem jeder Mensch sein volles Potenzial entfalten kann.

Lass uns die Vielfalt leben!

Beste Grüße
Susanne